Kapelle an der Schultheiser Mühle : Das Kreuz
Folgenden Brief erhielt ich von Professor Backes, Dieblich am 20. Mai 2003
 

Sehr geehrte Herren Dellschau,

wie bereits telefonisch mit Ihnen verabredet, reiche ich Ihnen einiges Material zum Thema "Kreuz" aus meinen Unterlagen zur weiteren Verwendung durch Sie nach. Anknüpfend an unser Gespräch über das Klima im 18. Jhd. habe ich ein Exzept aus der Reihe "Das Jahrtausend"  beigefügt. Die Ziffern im Text beziehen sich auf die anliegenden Ablichtungen, die häufig verschiedene Aussagen gleichen Inhalts zum Thema behandeln.

1. Der Hunsrück war bekannt für seine hohe Anzahl an Flurkreuzen aus Holz, die z.T. kleine Nischen im Schaft enthielten. Solche Holzkreuze wurden schon sehr früh (in Frankreich seit dem 6. Jahrhundert) als Schutz gegen die durch Dämonen verursachten Unwetter aufgestellt. Seit dem 12 Jhd. fanden kirchliche Benediktionen zur feierlichen Weihe von Wetterkreuzen aus Holz statt, bevor man sie in Fluren und Feldern errichtete.

2.) Bereits vor der Christianisierung fanden mehrmals jährlich Prozessionen und Bittgänge zur Reinigung und Entsühnung der Felder , zur Erflehung göttlichen Segens und zur Abwehr böser Dämonen (Teufel) statt. Diese Flurumgänge wurden in die christliche Bittprozessionen als Ausdruck christlichen Gedankengutes übernommen. Seit dem 14. Jahrhundert führte man auch in einer Pyxis (deutsch: Büchse) die konsekrierte Hostie mit, die erst viel später in einer "Monstranz" dem Volke tatsächlich gezeigt wurde.

3.) An den Flurkreuzen wurden neben Bittgebeten die Anfangstexte der vier Evangelien in die vier Himmelsrichtungen verlesen und mit der Hostie Land und Leute gesegnet. Da außer dem Priester niemand die Hostienschale berühren durfte, musste er sie in der dafür vorgesehenen Nische der Kreuze abstellen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß diese Nischen auch Phylakrien (Schutzmittel) mit magischen Zeichen, Sprüchen oder Amuletten  enthielten. Diese Nischen waren dann aber verschlossen. Die meisten Kreuze waren jedoch Prozessionsziele, deren offene Nischen als Ausetzungsort des Sanktissimums anzusehen sind.

4.) Im Jahre 1751 verbot der Trierer Kurfürst Clemens Wenzelslaus das Schießen bei den Prozessionen und 1784 das Mittragen der Monstranz außer an Fronleichnam. Um das "müßige und schwärmende Herumwandern ohne erkennbaren Seelennutzen" einzudämmen, untersagte er auch alle Prozessionen und Wallfahrten, deren Zeit weiter als eine Wegstunde vom Ausgangsort entfernt war. Diese Verordung wwar notwendig geworden, weil jährlich bis zu 20 Wallfahrten und Prozessionen unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung stattfanden.

5.) Im Baybachtal, lange eine politische Grenze zwischen den Gebieten der Hinteren Grafschaft Sponheim und den zu Kurtrier gehörenden Ländereien, liegt die sogenannte Schultheiser Mühle. Hier trafen die Verkehrswege vom Moseltal auf die Höhensiedlungen des Hunsrück und die beiderseits des Tales gelegende Verbindungen von Gondershausen im Norden und Thörlingen / Bickenbach im Süden aufeinander. Neben der Mühle steht am rechten Berghang vor einer Kapelle ein außergewöhnlich gut erhaltenes Holzkreuz von 1774.  Das Kreuz ist auf seiner Vorderseite und den beiden Seitteilen reich bebildert. Im Schaft ist eine Nische eingelassen. Kreuze dieser Art wurden zum Schutze von Land, Vieh und Mensch errichtet und regelmäßig bei den früher sehr weit führenden Bittgängen und Prozessionen der umliegenden Dörfer als Stationskreuze besucht. Die tabernakelartige Nische diente zur Aussetzung des meist mitgeführten Sanktissimums (geweihte Hostie in einer Pyxis).

Die Ikonographie der Frontseite knüpft an die älteste im Volksglauben geheimen Abwehrzeichen aus der Passionsgeschichte an. Alle Darstellungen sind magische Schutzzeichen , die auch als "Arma Christi" (Waffen des Christus) bezeichnet werden. Es handelt sich um die Leidenswerkzeuge, die als mächtige Waffen gegen alles Üble angesehen wurden. Das Besondere des Schultheiser Kreuzes ist die Vielzahl der Symbole, die ansonsten meist in geringerer Kombination vorkommen, und die erhaben gearbeitete Darstellungen. Die ganze Vielzahl der abgebildeten Motive ist seit dem Mittelalter auch als getragende Amulette aus Ton, Metall, Holz  oder auf Zettel gemalt gut belegt.

An den Seitenwangen sind als Teil für das Ganze Gerätschaften und Erntewünsche dargestellt, die durch das Kreuz geschützt und gesegnet werden sollen.

Das heutige Kreuz ersetzt vermutlich ältere Male, die wahrscheinlich schon vor dem Bau der Mühle dort oder in der Nähe standen. Darauf deutet die Art der Aufstellung und der dicht vor der Kapellenwand liegende Platz.

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MFG

Backes.

 

Anmerkung von mir (Robert Dellschau):
Meine Großmutter hat um ca. 1973/74, als die Kapelle das erste Mal von uns richtig restauriert wurde, das Kreuz von seinem ursprünglichen Sockel abgenommen, von hinten restaurieren und mit Leinöl und Holzlasur  streichen lassen und dann auf einen neuen Sockel aufgestellt. Von ihr stammen aber nicht die Blechabdeckungen, die das Kreuz  gegen Regen auf der Oberseite der Balken hat, diese stammen wohl aus der Zeit um 1880, als an der Mühle sowieso viel gebaut wurde....

 

So, für heute ist der Akku vom Laptop alle ...